.
Schon weit vor der „Machtergreifung“ Hitlers 1933 wurden die Weichen im deutschen Reich, mehr oder weniger dezent, auf „Hochrüstung“ gestellt. Für das Öllager in Bleckede bedeutete dies, dass ab 1928 damit begonnen wurde Öl nach Bleckede zu transportieren. Ab 1935 wurde dann die Einlagerung von Öl deutlich forciert, nicht ohne vorher von Seiten der Marine auf die Höhe der Frachtraten Einfluss zu nehmen [25]. Gleichzeitig begann die Marineverwaltung, das Öllager weiter auszubauen. Hierzu wurde nicht auf die ursprünglichen Baupläne von 1917 zurückgegriffen. Es entstand bis 1945 eine Anlage aus sechs unterschiedlichen Tank-Gruppen. Die Bauausführungen im Tanklager Bleckede begannen 1935. Zur Leitung der Bauarbeiten wurde ein Marinebaurat nach Bleckede abkommandiert. [26] Das Baubüro war in dem Gebäude „Waldhalle“ (Gebäudenummer 59), einem ehemaligen Ausflugslokal eingerichtet. Hier residierte schon die Bauleitung 1916-1919. Im Jahr 1936 wurde, mit der Versetzung des Marinebaurates Edo Meiners nach Bleckede, in Bleckede die Abteilung „Marinebauamt Öllager“ des Hafenbauressort V, der Amtsgruppe Hafenbau (Oberkommando der Kriegsmarine BBB V), gegründet [27]. Hier wurden bis März 1939 die Planungsarbeiten für den Bau des Kriegsmarinetanklagers Bremem Farge durchgeführt. [28]
Im Tanklager in Bleckede wurden ab 1935 Unterkünfte für Arbeiter erstellt. Anschließend wurden neue Lagertanks errichtet. Wie im deutsch-englischen Flottenabkommen ausgeführt, hatte Deutschland 1936 die ersten „35 000 t“ Schlachtschiffe (Bismark, Tirpitz) in Bau gegeben. Hitler entschied sich schon vor der Kündigung des deutsch-englischen Flottenabkommens am 28.April 1939, nämlich im Januar 1939, für den sogenannten Z-Plan [29]. Dieser Plan sah u.a. den Aufbau einer starken Flotte mit sechs zusätzlichen, noch größeren Schlachtkreuzern und 249 U-Booten bis 1948 vor. Damit wurde vorerst ein Plan für einen raschen und billigeren Aufbau der Marinestreitkräfte, mit dem Schwergewicht im Bereich der U-Boote-Flotte verdrängt.
.
Dem Z-Plan entsprechend, setzte die Seekriegsleitung (Skl) einige Planungsausschüsse ein, die Reichsbauprogramme für Häfen, Tanklager und Verkehrswege entwarfen. Im Jahr 1937 waren im Haushalt durch das Tanklagerbauprogramm rund 1,0 Mio. Tonnen Betriebsstoffe in geschützten Lagerräumen vorgesehen [30].
Im Jahre 1939 wurde eine Erhöhung des Öltanklagerraumes für die Marine auf 1,5 Mio. bis 3,0 Mio. Tonnen vorgesehen. Vornehmlich an den Wasserwegen der Nordsee plante das Marineamt Wilhelmshaven ihre großen, Ölhöfe als unterirdische Tanklager [31]. Dazu gehörte das herrichten der schon bestehenden Tanklager in Bleckede/Elbe, Achim/Weser und bei Schafstedt am Kaiser-Wilhelm Kanal.
Weiterhin wurde der Bau einer Großanlage in Flemhude in der Nähe Kiels am Kaiser-Wilhelm-Kanal und in Nordholz/südl. Cuxhaven für 55 Mio. RM beschlossen [32]. Im Haushalt 1938 wurden für ein weiteres Marine-Tanklager in Bremen-Farge immense Geldmengen zur Verfügung gestellt. Vorgesehen waren für Farge 30 Tanks mit rund 600 000 m³ Fassungsvermögen. Fertig gestellt wurden nur fünf Tanks. Vier dieser Tanks dienten ihrer ursprünglichen Bestimmung, in einem Tank wurden unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeiter untergebracht. Von den restlichen 25 Tanks wurden nur die Betonfundamente erstellt. Bei einem Tank wurden, wegen unklarer Bedingungen im Baugrund keine Baumaßnahmen begonnen [33].
Die Bauarbeiten zur Erweiterung der Anlage in Bleckede erfolgten über mehrere Jahre. Die Behältergruppe II wurde, da einige Tanks schon bis 1918 fertig gestellt waren, vermutlich als erste der Anlagen bereits vor 1935 in Betrieb genommen. Die Behältergruppe III wurde zusammen mit weiteren Gebäuden von 1935 bis 1938 gebaut [34]. Die Tankgruppen IV, V und wurden vermutlich in der Zeit bis 1942/43 fertig gestellt (s. Bild 1. Luftbild der Bauarbeiten vom Mai 1938). Der Bau der Tankgruppe VI begann vermutlich erst ab 1939/40). Jahr 1939 waren in Bleckede bereits 250 000 m³ an Tankvolumen fertig gestellt [35].
Zur Unterbringung der Bauarbeiter entstand ab ca. 1936/37 ein Barackenlager an der Breetzer Strasse. Hier entstand ab 1937 ein Kantinengebäude in dem auch alkoholische Getränke an die Arbeiter ausgeschenkt wurden. Viele Montagearbeiter wohnten in dieser Zeit bei Privatleuten im Bereich der Stadt Bleckede [36]. Eine Einnahmequelle die in Bleckede sehr geschätz wurde.
.
Für den Bau des Ölhofes in Bleckede wurden eigens Kiesgruben erschlossen. Für den Transport zwischen den einzelnen Baustellen und der Kiesgrube wurden Lorenzüge auf schmalspurigen Gleisen eingesetzt die von Dampflokomotiven gezogen wurden. (s. auch Bericht 5, der Ölhofwerkstatt)
Bei den Bauarbeiten im Ölhof wurden ab 1941 Zwangsarbeiter [37] und ab 1943 Kriegsgefangene eingesetzt. Russische Kriegsgefangene waren als 6. Kompanie der 2. Marine-Baubereitschafts-Abteilung im Ölhof untergebracht. Alle Kriegsgefangenen wurden über das Stammlager des Wehrbereiches X in Sandbostel in weitere Lager, so auch nach Bleckede deportiert. Die Zuweisung der Fremd-, bzw. Zwangsarbeiter zu den verschiedenen Baufirmen erfolgte über das Arbeitsamt in Lüneburg. So wurden z.B. polnische Arbeiter, die am Bau des Kraftwerkes in Alt Garge eingesetzt gewesen waren, nach Breetze verlegt, um beim Bau der Tank-Gruppe VI zu arbeiten [38].
Neben dem Bau der einzelnen Tank-Gruppen, wurden auf dem Gelände umfangreiche Bauarbeiten zur Erstellung der Versorgungsleitungen durchgeführt. Alle Tankgruppen waren durch ein Tunnelsystem, in dem die Ölleitungen verliefen, miteinander verbunden. Die Wasserleitungen und auch sämtliche Stromleitungen wurden durch weitere Erdarbeiten in separaten Gräben verlegt, die dann wieder verfüllt wurden.
Nach der Inbetriebnahme der Tank-Gruppe IV im Jahre 1940 stellte sich heraus, dass die Tanks dieser Gruppe aufgrund ihrer Bauweise (Betontanks) nicht zur Einlagerung von Schweröl geeignet waren. Nach dem Versuch die Tanks nachträglich durch Aufbringung einer Kautschuk-Schicht abzudichten, der aber auch fehlschlug, wurde die Tankgruppe IV stillgelegt. Nach erfolgter Reinigung der Anlage wurden in vier der sechs Tanks durch die Außenmauern große Tore gebrochen. In die Innenräume der Tanks wurden Regale gebaut und es wurden Feldbahngleise bis hinein in die Bunker gelegt.
In die Baracken in der Breetzer Straße zog die Verwaltung dieser neuen Lagerhallen ein. Die Verwaltung der Materiallager war in zwei Bereiche aufgeteilt. Der erste Bereich diente zur Verwaltung eines gemischten, technischen Warenlagers (u.a. chemiekalische Produkte). Der zweite Bereich verwaltete, in einem eigenen Lagerbereich, Material für die U-Boot Flotte. Diese geteilte Verwaltung der Materiallager, losgelöst von der Verwaltung des Öllagers, bestand bis zum Kriegsende.
Die Erweiterungen im Ölhof ab 1936 machten erforderlich, dass, wieder auf Veranlassung der Kriegsmarine, Zwischenbahnhöfe an der Eisenbahnstrecke Bleckede-Lüneburg, zweigleisig, als „Kreuzungsbahnhöfe“ ausgebaut wurden. Die Bahnhöfe Rullstorf und Neetze erhielten Ausweichgleise von je 350 m Länge. Zwischen Rullstorf und Boltersen wurde ein großer Kreuzungsbahnhof geplant (Bokelkathen); der aber nur Papier blieb [39].
Zu Beginn des Krieges soll der Ölhof in Bleckede bis fast an die Kapazitätzgrenze von 340 000 m³ mit Öl der Kriegsmarine gefüllt gewesen sein [40]. Eine andere Quelle berichtet davon, dass sich bereits 1942 in keinem der Lagerbehälter in Bleckede mehr Öl befand [41]. Diese Informationen stimmen mit der gesamten Lage der Treibstoffversorgung der Kriegsmarine in den Jahren 1939 bis 1945 überein. vgl. auch Erdöl / Infos [42]
Die ab 1940, nach der Besetzung von Norwegen, rund um den europäischen Kontinent entstandenen Kriegsschauplätze erforderten von der Reichsmarineeine eine Verteilung der Depotvorräte auf eine Vielzahl „neugewonnener“ Stützpunkte sowie die Befüllung der zwischen den den Ölhöfen und den Stützpunkten hin- und herpendelnden Zubringertanker, was quasi der Einschiebung einer zusätzlichen Versorgungsebene entsprach und die inlandigen Marine-Tanklager weitgehend überflüssig machte [43].
Es ist aber wahrscheinlich, dass auch nach 1942 noch Öl im Nachschublager umgeschlagen wurde. 1943 kamen täglich bis zu drei Güterzüge mit Keselwagen in Bleckede an. Aus dem Ölhof heraus gingen Züge in Richtung Wilhelmshaven und Gotenhafen. s. a. Bericht: „Rangierer im Ölhof“.
Weiterhin besteht die Information, dass der Ölhof Bleckede ab 1940 zu einem zentralen Ort innerhalb der Reichsmarine entwickelt wurde, an dem Eisenbahn-Kesselwagen der Marine gereinigt wurden. [44]
Am 07.03.1944 fand in Lüneburg eine Besprechung mit Fachleuten der Reichsbahn, der Marine, den Hamburgischen Elektrizitätswerken und der Bleckeder Kleinbahn statt.
Inhalt der Besprechung war u. a. die Festlegung des Transportvolumens von Öl und Kohle, auf der Strecke Lüneburg-Bleckede bzw. Alt Garge für Herbst 1944.
Ab Herbst 1943 war das Anschlussgleis zum Kohlekraftwerk Ost-Hannover in Alt Garge fertig gestellt. Durch die Anlieferung von Kohle auf dem Schienenweg stieg die Verkehrsbelastung. Der tägliche Eingang an Güterwagen wurde für April 1944 mit 150 Stück angegeben und für Herbst 1944 auf 200 Güterwagen täglich geplant. Diese Anzahl an Güterwagen brachte die Kapazität der eingleisigen Strecke an die Obergrenze [45].
Weiterhin ist zum Treibstoffumschlag in Bleckede zu bemerken, dass bei Recherchen bisher Informationen über die Eisenbahn überwiegen. Für Bleckede liegen noch keine belastbaren Zahlen zum gesamtem Öl-Umschlag auf den Verkehrswegen Schiene und der Elbe vor.
Die Bewertung der „Wichtigkeit“ des Marinenachschublagers orientiert sich, aus der Sicht des Autors, an mehreren Punkten:
1. Die Ölversorgung der Kriegsmarine von 1928 bis 1945 unterlag verschiedenen Einflüssen (s. auch Erdöl/Infos). Der Öl-Lagerbestand der Kriegsmarine war ab 1942 so niedrig (oder strategisch unbedeutend) dass, obwohl 1944 und 1945 jeweils Aufklärungsflüge der alliierten Streitkräfte stattfanden, sich daran keine Luftangriffe auf das Öllager anschlossen. (vergl. hierzu WIFO-Tanklager Hitzacker, mit mehreren schweren Luftangriffen – hier eingelagert waren Spezialtreibstoffe für V1 und V2 Raketen)
2. Das Öllager war nicht, wie sonst üblich, mit Flaktstellungen oder gar Einheiten zur Verteidigung umgeben. Es bestand eine Scheinanlage, aus Holz und Leinwand, zur „Ablenkung“ von Luftangriffen in der Nähe von Neetze (ca. 8 Km vom Ölhof in Bleckede entfernt) Innerhalb der Anlage waren an Wachpersonal lediglich 24 Mann, mit leichten Waffen (Landesschützen) stationiert.
3. Das Öllager wurde am 18. April 1945 nur „geräumt“ und nicht von den abrückenden deutschen Soldaten gesprengt. Hierzu könnte man anführen, dass die allgemeine Lage im April 1945 schon so desolat war, dass der allgemeine Befehl zur Zerstörung militärischer Anlagen nicht mehr durchgesetzt wurde (Befehl von Adolf Hitler betreffend Zerstörungsmaßnahmen im Reichsgebiet „Nero-Befehl“ bzw. Befehl „Verbrannte Erde“) s. auch: „Heimatbuch“
.
Landeskleinbahnamtes vom 23.03.1935 in Bleckede. Es sollen in den nächsten Tagen ca. 10 000 to Öl eingelagert werden. Die Reichswehr plant den Transport von Hamburg auf der Schiene und auf dem Wasserweg. Wasserweg 0,72 RM/to, Schienentransport 5,23 RM/to. (Archiv Landkreis Lüneburg, Bleckede, 766,10).
[26] Einwohnerbuch für den Landkreis Lüneburg 1936.
[30 Tanklager-Programm, Nürnberger Prozesse, Dokument 885-D in Bd. 11-12, S. 596 ff.
weitere Kapitel sind :