11.01.2006
In der zweiten Ausgabe der Elbmarsch-Post im Jahre 2006 erscheint der „1.Werkstattbericht “ über die Arbeit am Ölhof-Projekt.
Auf der Suche nach Friedrich Lohmanns Obstbaumgarten
Werkstattbericht „Ölhof 1“
Der Staat, die Gemeinde, braucht Land und nicht jeder Grundeigentümer stimmt in diesem Fall mit dem Grundsatz „Gemeinwohl vor Eigennutz“ überein. Über das, was „Gemeinwohl“ bedeutet, ließ sich seit eh und je trefflich streiten und nicht selten gibt es noch andere Gründe dafür, das eigene Land nicht zu verkaufen.
1917 hatte die Reichsmarine sämtliche, benötigten Grundstücke für den Bau eines Ölhofes in der Gemarkung Bleckede aufgekauft, ungefähr 100 Verkäufe, – alle: Bis auf vier Parzellen. Drei gehörten einem ehemaligen Gastwirt Burmester, auf der rund 1 ha großen Parzelle Nummer 130 standen die Obstbäume des Friedrich Lohmann.
Der Topfwarenhändler war gut 20 Jahren vorher nach Bleckede gekommen und hatte mit seiner Familie das Haus in der Breiten Straße 30 erbaut. Noch heute gibt es hier bei Familie Lohmann Töpfe, Pfannen und alles, was Mann oder Frau im Haushalt brauchen kann. Der alte Friedrich Lohmann schien nicht zu den konfliktscheuen Menschen zu gehören – hatte er sich doch bereits beim Kauf des Grundstückes in der Breiten Straße energisch durchsetzen müssen, als der Verkäufer, ein Bauer aus Breetze, trotz Handschlagvertrages mit Lohmann sich daran machte, das Grundstück doch lieber an die Reichspost zu verkaufen.
Nun, um die Jahre 1916/17, versucht Friedrich Lohmann abermals, das Beste für sich aus der Situation zu machen und wird damit aktenkundig als ein Hindernis für die Pläne des Landrates Bleckede und der Reichsmarine. Beide haben es offensichtlich eilig, mit dem Bau eines Ölhofes u.a. auf dem Gebiet des alten Obstgartens zu beginnen.
Suche die Erste
Heute befindet sich hier, zwischen der Breetzer- und Dahlenburger Landstraße Wald.
Nach der Auflösung des Ölhofes war hier aufgeforstet worden. Wo genau mag die Parzelle 130 sich befunden haben? Henning Bendler und Jens Lohmann, Urenkel des Friedrich Lohmann, machten sich im letzten Herbst im Wald querfeldein auf die Suche. Anhaltspunkte sind:
1. die Erinnerungen Jens Lohmanns an Berichte seiner Großtante, die das Grundstück als Kind kannte. Auf ihm soll ein Brunnen gestanden haben.
2. Die Ortskenntnis von Henning Bendler, der seit Jahren hier forscht und
3. eine Landkarte von 1917 auf der alle einzelnen Grundstücke in diesem Bereich verzeichnet sind. Die Karte stammt aus einer Akte im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover. Die Lektüre dieser Akte macht deutlich, wie es weiter ging im Streit um das Lohmannsche Grundstück.
Was die Akten zeigen
Bereits im Januar des Jahres war der Reichsmarineverwaltung „aufgrund allerhöchster Ermächtigung Seiner Majestät des Königs“ das Recht verliehen worden, die „zu öffentlichen Anlagen erforderlichen, in der Gemarkung Bleckede, Kreis Bleckede, gelegenen“ Grundflächen, soweit nötig, im Wege der Enteignung „zu erwerben“.
Nun erbittet der Landrat Bleckede die Durchführung des Enteignungsverfahrens gegen die Landbesitzer Burmester und Lohmann. Das Reichsmarineamt stimmt im Mai 1917 zu und beauftragt die Werft Wilhelmshaven. Die kaiserliche Werft wiederum wendet sich im Juni an den Regierungspräsidenten Lüneburg und erläutert den Fall: „Ersterer (Gastwirt Burmester) verhält sich (dem Verkauf gegenüber) ganz ablehnend, während letzterer (Topfwarenhändler Lohmann) unannehmbare Preisforderungen stellt.“
Schon einen Monat später ist es soweit: Am 20. Juli 1917 kommt vom Staatsministerium Berlin die Zustimmung, dass die Grundstücke nach vereinfachtem Enteignungsverfahren durch die Reichsmarineverwaltung enteignet werden. Dem Bau des Ölhofes steht, was das Grundstück betrifft, nichts mehr im Weg. Gegenüber den politischen Interessen hat Friedrich Lohmann diesmal den kürzeren gezogen.
Ob ihm die Hintergründe des Ankaufes bekannt waren? Obgleich bereits lange vorher auf der politischen Bühne Verhandlungen über die Errichtung eins Marinenachschublagers in Bleckede geführt wurden, scheint Einiges zu dessen Geheimhaltung drangesetzt worden zu sein: Die Öffentlichkeit soll nichts vom geplanten Marinenachschublager wissen. Die Kaiserliche Werft bittet den Regierungspräsidenten im gleichen Brief zum Enteignungsverfahren darum, „bei Veröffentlichungen aus Gründen der Geheimhaltung von Angaben des Zweckes, für den die Ländereien bestimmt sind, abzusehen“. Ein Gesetz aus dem Jahre 1914 kommt der Werft zugute, sie nutzt jede Gelegenheit, den Bau des Nachschublagers so günstig und so reibungslos wie möglich zu realisieren: Das einfache Enteignungsverfahren reicht demnach aus, da die Kaiserliche Werft angibt „zur Herrichtung der Anlage in Bleckede sollen Kriegsgefangene verwendet werden“. Aus Berlin wird bestätigt: Es handelt sich beim geplanten Bau des Ölhofes um eine „Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und zur Beschäftigung von Kriegsgefangenen“.
Es gibt allerdings keinen Beleg darüber, dass damals überhaupt Kriegsgefangene zur Verfügung standen.
Suche die Zweite
Henning Bendler und Jens Lohmann wandern indes auf der Suche nach dem ehemaligen Grundstück Friedrich Lohmanns durch das Waldgebiet, auf dem heute die Zollhundeschule ihre Trainingsplätze hat. Große Schilder mit nicht ganz eindeutigen Zeichen weisen seit einigen Monaten auf die dort zur Ausbildung frei laufenden Hunde hin.
Auf der Suche nach Resten des Lohmannschen Brunnens durchstreift das Team teilweise das Unterholz, die Karte von 1917 immer wieder zur Hand nehmend: Ohne Erfolg. In der Kartenerstellung und Landvermessung war man im Kaiserreich offensichtlich bei weitem nicht so genau, wie im Erstellen von Akten: Ein vergleichender Blick auf ein maßstabsgleiches
Luftbild der Umgebung zeigt, dass die Winkel der schon damals vorhandenen Straßen nicht exakt sind und auch die Ausrichtung nach Nord-Süd auf der alten Karte so nicht stimmen kann.
Henning Bendler indes will auch an diesem Punkt noch nicht aufgeben, so sein Votum zum neuen Jahr; Die EP wird gegebenenfalls die Erfolgsnachricht bringen.
-EP-Redaktion/lh-
Quelle: Elbmarsch-Post, Boizenburger Str. 3, Postfach 170, 21354 Bleckede
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