04.10.2007
In der vierzigsten Ausgabe der Elbmarsch-Post im Jahre 2007 erscheint der „6. Werkstattbericht“ über die Arbeit am Ölhof-Projekt.
Immer noch am gleichen Platz
Lohmanns alter Garten auf dem Gelände des ehemaligen Ölhofes lokalisiert
Werkstattbericht „Ölhof 6“
Bleckede. „Auf der Suche nach Friedrich Lohmanns Obstbaumgarten“, so lautete der Titel des ersten Werkstattberichtes vom Ölhof. Mittlerweile ist in der Elbmarsch Post der sechste Bericht zur Geschichte des ehemaligen Mineralöllagers in Bleckede herausgekommen und ein gutes Jahr vergangen. Damals war die Suche nach dem genauen Standort des Gartens erfolglos verlaufen. Nun konnten Henning Bendler und Jens Lohmann das Rätsel lösen: Der genaue Standort des Gartens von 1906 steht unzweifelhaft fest. Noch heute sind im Wald Spuren der ehemaligen Umfriedung zu finden.
„Aus Holz Spargel und Obst gemacht“ oder: „Lohmanns Garten dreht sich nicht“
Wer ernten will, hat erst einmal viel Arbeit. Im Jahre 1906 machte sich Friedrich Lohmann mit viel Elan daran, das vom Breetzer Gastwirt Sepmann erworbene 6 Morgen große Waldgrundstück zu einem Ost- und Spargelgarten zu kultivieren. Roden, umgraben, anpflanzen: Der Beginn des neuen Arbeitsfeldes prägte Lohmanns Familie. Seine Tochter Louise Lohmann schreibt in ihren Erinnerungen: „Vater fuhr viel umher, um sich Spargelplantagen anzusehen. Am besten fand er die Plantage in Deutsch Evern. Er pflanzte mehrere Versuchsreihen mit Braunschweiger- und Schneekoppen-Spargel an. Als der Garten gut vorbereitet war, pflanzte er erstmal 200 Obstbäume, verschiedene Sorten. Darunter kam der Spargel. Wir hatten Tage, wo wir 300 Pfd. Spargel ernteten. Wir hatten immer eine Frau und einen Arbeiter zum Helfen. Wir Kinder mussten auch jeden Tag Spargel stechen.“ Unversehens wird der Garten auch zum Maß der übrigen Dinge. Für Arbeiter Meier ist die unzweifelhafte und dauerhafte Existenz des Gartens der Beweis für ein statisches Weltbild. Auf die provokante Feststellung der Lohmanntochter Lene, sie hätten in der Schule gelernt, dass die Erde sich drehen würde, antwortet er nach reiflicher Überlegung: „Dee Er dreiht sick bestimmt nich. De Spargelgorn ist immer an glieken Platz. Se schöllt jo man lewer leern, wat stimmt!“
„Enteignet und Ende? – Neue Funde“
Trotz Gegenwehr wird der Lohmannsche Garten 1917 enteignet. Nicht der Erdumdrehung, sondern der Reichspolitik und ihrem Willen zur Aufrüstung fällt er zum Opfer. Der Spargel und die Obstbäume stehen dem geplanten Bau eines Mineralöllagers im Weg. Der Reichsmarineverwaltung war „aufgrund Allerhöchster Ermächtigung Seiner Majestät des Knigs“ das Recht verliehen worden, die „zu öffentlichen Anlagen erforderlichen, in der Gemarkung Bleckede, Kreis Bleckede, gelegenen – Grundflächen, soweit nötig, im Wege der Enteignung – zu erwerben“ (siehe EP, 2. Ausg. ´06).
So schnell enteignet wurde, so langsam kam dann der eigentliche Bau des Öllagers voran. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges gerät das ehrgeizige Marineprojekt ins Stoppen und erst ab 1935/36 beginnt im großen Stil der Bau der Haupttankanlage (siehe EP, 38. Ausg. ´07).
Die Spur des Lohmannschen Gartens, die der Heimatforscher Henning Bendler bereits zum Jahr 1917 verloren gegangen glaubte, hat durch das Forschen von Jens Lohmann in den Nachlässen seiner Familie jetzt eine unerwartete Fortsetzung gefunden. Erhaltene Quittungen aus den Jahren 1924 bis 1930 belegen zweifelsfrei: Das Grundstück wurde mindestens bis 1930 von Friedrich (Fritz) Lohmann weiter bewirtschaftet! Für die Nutzung seines ehemals eigenen Gartens zahlte er jährlich 150 Mark Pacht.
„Neuer Aufschwung für die Suche“
Mit dieser neuen Erkenntnis ist das Team Bendler/Lohmann nicht mehr ausschließlich auf die wenig zuverlässige Flurkarte von 1917 angewiesen. Denn für spätere Jahre kommt eine genauere Quelle in Betracht, nämlich Luftbilder. Das markante, dreieckig geformte Grundstück des Friedrich Lohmann mit Wald- und Obstbaumbestand müsste von oben gut ausmachbar sein. Und wirklich: Deutlich zu sehen ist auf Luftbildern von 1944 und auch noch von 1961 die Linie der Grundstücksgrenzen, die exakt mit der Führung auf der Flurkarte von 1917 übereinstimmt.
Gefunden – Was die Fichten verraten
Nicht lange, und der Spargelgarten ist identifiziert. Denn wer pflanzt im Wald die Fichten in einer allein stehenden langen Reihe und in solch geringem Abstand zueinander? Die Reihen sind noch gut zu erkennen und nur leicht ausgedünnt. Das muss die Grundstücksgrenze sein. Selbst ein kleiner Graben ist bei genauerem Hinsehen im heutigen Gelände noch zu erkennen. Und kann es Zufall sein, dass sich bis in die heutige Zeit hinein an den verschiedensten Stellen im Ölhofgelände ohne Mühe wild wachsende Spargelpflanzen ausfindig machen lassen? Letzte Zweifel an der Identität des Standortes mit dem Lohmannschen Garten werden zerstreut an der nördlichen Spitze des Grundstückes. Dort, wo heute nahezu ausschließlich Kiefern jüngeren Datums auszumachen sind, laufen zwei Fichtenreihen älterer Bestände auffällig aufeinander zu und es ist gewiss: Wir stehen an der Spitze des „Lohmannschen-Garten-Dreiecks“! Der südliche Teil des ehemaligen Gartens ist eingezäunt. Er wird heute von der Zollhundeschule als Übungsgelände genutzt. Mit den alten Fichten als unzweifelhaften Beweis ist ein weiteres offenes Rätsel in der Geschichte gelöst, die Verbindung von damals zu heute ein Stückchen weit geschlossen.
-EP-Redaktion/Ih-
Quelle: Elbmarsch-Post, Boizenburger Str. 3, Postfach 170, 21354 Bleckede
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