Bericht 5

 

19.09.2007

 

In der achtunddreissigsten Ausgabe der Elbmarsch-Post im Jahre 2007 erscheint der „5. Werkstattbericht“ über die Arbeit am Ölhof-Projekt.

 

 

Großbaustelle Bleckede – Der Ölhof 1935/36

 

Werkstattbericht „Ölhof 5″

 

Wer heute zwischen Breetzer Straße und Dahlenburger Landstraße durch den Wald spaziert, ahnt nicht, dass auf diesem Gebiet bis 1945 eine riesige Industrieanlage stand, die sich nach Westen bis zur Neuen Breetzerstraße ausdehnte. Wo jetzt in kleinen Teilen die Zollhundeschule ihr Übungsgelände hat, befand sich ein Mineralöllager, der so genannte Ölhof. 34 der insgesamt 78 Gebäude auf dem Ölhof waren Lagertanks mit einem Gesamtfassungsvermögen von ca. 340.000 t. Ein unterirdisches Tunnelsystem verband über 5 km alle Tanks miteinander. Bereits der Bereich südlich vom Sonnenweg, hoch bis zum Ziegeleiweg gehörte teilweise zum Ölhof. Die Breetzer Straße wurde dort für den öffentlichen Durchgangsverkehr komplett gesperrt. Das ganze, rund 150 ha große Gelände war bewacht und eingezäunt mit Maschendraht zwischen stabilen, 2 m hohen Betonpfeilern. Auch wenn erste Schritte zur Errichtung dieser Anlage kurz vor dem 1. Weltkrieg erstaunlich still vor sich ging (EP berichtete): Ab 1935/36 war die enorme Bautätigkeit in Bleckede unübersehbar. Mit voller Kraft geht es nun voran. Große Baufirmen wie Wayss & Freytag Frankfurt, Beton und Monierbau A.G. Berlin und Aug. Klönne, Dortmund sind beteiligt, kleinere aus der Umgebung finden hier Aufträge als Subunternehmer. Mit der Ankunft von Arbeitern und Angestellten wuchst die Kaufkraft im kleinen, 1937 ca. 2.400 Einwohner zählenden Bleckede. Um 1943 arbeiten auch russische Kriegsgefangene am Ölhof, in der Breetzer Straße werden mehrere Wohnbaracken eingerichtet. Doch zunächst sind es vor allem Montagearbeiter aus dem Rheinland, die nach Bleckede kommen und als Untermieter einen Zuverdienst für Einheimische bringen. Karneval und Rosenmontagsumzüge halten Einzug im kühlen Norden, so berichten es Zeitzeugen. Doch eines ist merkwürdig: Der kräftige Baubeginn am Ölhof ist für 1934/35 verbürgt, doch niemandem von den ansonsten zuverlässigen Zeitzeugen ist eine größere Anzahl von Arbeitern um diese Zeit aufgefallen. Auf dem Ölhof können sie erst ab 1936 gewohnt haben, als die ersten von schließlich 11 Wohngebäuden dort entstehen. Woher kamen diese ersten Arbeiter also? Auf diese Frage wussten Ölhofexperte Henning Bendler und Team lange Zeit keine Antwort zu geben. Bis Zufall und Spürsinn ihnen zu Hilfe kam. Als passionierter Eisenbahnfreund nimmt Henning Bendler nicht nur Unterlagen zum Ölhof genau unter die Lupe. Auch der Bleckeder Kleinbahn gilt sein Interesse. Bei der Lektüre der jährlichen Verkehrsberichte der Kleinbahn findet sich unverhofft eine Verbindung zum Ölhof: Akribisch sind in den Jahren 1932 bis 1935 als Statistik aufgeführt, wie viele Fahrgäste die Strecke Lüneburg-Bleckede gefahren sind, wie viele Normalfahrkarten und wie viele Arbeiterfahrkarten verkauft wurden. Gerade diese Arbeiterfahrkarten mussten bei der Bahn mit der Angabe der Fahrstrecke beantragt werden. 1935 stieg der Verkauf von Arbeiterfahrkarten auf der Strecke Lüneburg-Bleckede- Lüneburg sprunghaft an. In diesem Jahr wurden annähernd 32.000Arbeiterfahrkarten verkauft. Diese Zahl bedeutet, dass täglich 100 Arbeiter von Lüneburg nach Bleckede und zurück fuhren.

 

Bei den Bauarbeiten wurden im Ölhof Feldbahngleise verlegt. Hier wurden dann Baumaterial z.B. Kies aus Breetze bis direkt zur jeweiligen Baustelle der Öltanks gefahren. Die Besonderheit dieser Lokomotive ist, dass sie einer Baufirma gehörte. Das Foto ist in Bleckede entstanden. Die Firma Kuckertz stammte aus Jülich und war gut im Rüstungsgeschäft eingebunden. Die Bauunternehmung Kuckertz hat u.a. die Hafenanlagen von Helgoland gebaut. Foto: Bendler/ Eisenbahn Ausbesserungswerk Bleckede (Bleckwerk).

 

Parallel dazu nahm die Frachtmenge nach Bleckede auffällig zu. Wer fährt schon zur Arbeit nach Bleckede? Dies müssen die gesuchten Ölhof-Arbeiter sein. Auch bei der Aufsichtsprüfung der Bleckeder Kleinbahn GmbH im Auftrage des Reichsbevollmächtigten für Bahnaufsicht Altona fielen die ungewöhnlichen Zahlen auf. Im Bericht heißt es zum Geschäftsjahr 1935: „Die Einnahmen aus dem Personenverkehr sind um 12,88% gestiegen, während die Leistungen (gemeint sind Leistungen, die die Bahn erbracht hat, Anm. Bendler) sogar eine Zunahme von 29,53% aufweisen. … (Daher) kann der Grund des Missverhältnisses zwischen der Einnahme-, und Leistungssteigerung nur in tarifischen Maßnahmen liegen. Die Hauptursache liegt in der äußerst starken Beförderung von Arbeitern von Lüneburg nach Bleckede zu einem niedrigen Tarif.“ Möglich ist, dass es täglich zwei Durchgangszüge von Lüneburg nach Bleckede in den Ölhof und am Abend zurück gab. So konnten die Arbeiter von der Zivilbevölkerung nahezu unbemerkt anreisen – zur größten Baustelle, die zu dieser Zeit im Landkreis existierte. 1936, als im Ölhof Wohngebäude fertig sind, sinkt auch die Anzahl der Arbeiterfahrkarten mit Zielort Bleckede wieder auf das Normalmaß von vor`35.

 

Schaubild zum Verkauf der Arbeiter-Rückfahrkarten zwischen Lüneburg und Bleckede 1932 – 1937

 

-EP-Redaktion/lh-

Quelle: Elbmarsch-Post, Boizenburger Str. 3, Postfach 170, 21354 Bleckede

 

 

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