Verstorben…

 

 

Wenn man heute in der Umgebung von Bleckede einen Spaziergang unternimmt und am Ortsausgang in Richtung Lüneburg am Waldrand rechts abbiegt, kommt man nach ca. 300m zum Jüdischen Friedhof.  (Der Weg ist vor Ort mit einer blauen Farbmarkierung gekennzeichnet)
Die letzte Beisetzung eines jüdischen Mitbürgers, die hier erfolgte, war die von Herrn Hermann Hertz, gest. 9.5.1935. In der Zeit von Januar 1943 bis Januar 1944 wurden auf diesem Friedhof noch vier weitere Menschen beigesetzt. Bei den Verstorbenen handelt es sich um zwei Zwangsarbeiterinnen und zwei Kriegsgefangene aus der Sowjetunion. Eine Erklärung für die Wahl des Begräbnisplatzes ist, dass diese vier Menschen gemäß der nationalsozialistischen Rassentheorie nicht auf dem Friedhof der Stadt Bleckede beigesetzt werden sollten und so auf dem jüdischen Friedhof begraben wurden und sich dort ihre letzte Ruhestätte befindet [1]. 
Die Verantwortlichen folgten bei der Bestattung auf dem Jüdischen Friedhof den Vorgaben des Reichsministerium des Innern  vom Oktober 1941 [2].

 

Die beiden, im Arbeitskommando Ölhof Bleckede eingesetzten, Männer waren sowjetische Kriegsgefangene, die im Stamm-Mannschaftslager (Stalag) X B in Sandbostel bei (Bremervörde) registriert waren und der Deutschen Kriegsmarine zum Arbeitseinsatz bei der 2. Marine-Baubereitschaftsabteilung zugewiesen worden waren.

 

 

Über den  sowjetische Kriegsgefangenen Orman Dshanatajew ist bisher bekannt, dass er 1888 in Schuschkala geboren wurde, von Beruf Zimmermann war und im Oktober 1943 gefangengenommen wurde. Seine Erkennungsmarke hatte die Numer 206068. Er war verheiratet und stammte aus dem Oblast Almatinskaya in Kasachstan. Orman Dshanatajew war wie Pawel Umanez am 14. Dezember 1943 der 2. Marine-Baubereitschaftsabteilung mit Sitz in Sande bei Wilhelmshaven, zugewiesen worden und ist laut seiner Personalkarte am 30. Januar 1944 im Arbeitslager Bleckede verstorben, die genauen Todesumstände sind nicht bekannt.

 

Bild 3: Personalkarte Orman Dshanatajew, Quelle: Stiftung Lager Sandbostel.

 

Der zweite tote sowjetische Kriegsgefangene, Pawel (Pazl) Umanez war im Zivilberuf Bauer. Er wurde im September 1943 gefangen genommen. Seine Erkennungsmarke hatte die Nummer 206770. Er stammte aus dem Gebiet Charkow (in der Ukraine). Pawel (Pazl) Umanez wurde am 16.12.1943 an die 6. Kompanie der 2. Marine-Baubereitschaftsabteilung Wilhelmshaven überstellt. Er starb mit 39 Jahren, lt. Todesbescheinigung, in der Nacht zum 16.11.1944 an Herzschlag im Kriegsgefangenen-Barackenlager Bleckede.

 

Bild 4: Personalkarte Pawel (Pazl) Umanez, Quelle: Bundesarchiv Berlin.
Bild 5: Sterbefallanzeige Pawel (Pazl) Umanez, Quelle: Bundesarchiv Berlin.

 

Der Tod des Pawel (Pazl) Umanez wurde von Bleckede aus nach Wilhelmshaven gemeldet. Von Wilhelmshaven aus erfolgte die Meldung an das Kommando der 2. Marine-Baubereitschafts-Abteilung in Bremen-Farge. Von hier erging am 01.12.1944 ein Schreiben an das Stalag XB in Sandbostel. In diesem Schreiben wird der verstorbene sowjetische Kriegsgefangene zum einfachen Verwaltungsvorgang: Veränderungsmeldung der 6. Kompanie der 2.Marine-Baubereitschafts-Abteilung v. 16.11.1944.

 

Bild 6: Veränderungsmeldung zu Pawel (Pazl) Umanez, Quelle: Bundesarchiv Berlin.

 

Die 2. Marine-Baubereitschaftsabteilung der Marine schickte, gemäß den 1940 vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) herausgegebenen Richtlinien für die Maßnahmen bei Sterbefällen von Kriegsgefangenen die Sterbefallanzeige [3], den Bekleidungsnachweis, eine halbe Erkennungsmarke und 91,13 Reichsmark, als persönlichen Nachlass des verstorbenen Kriegsgefangenen an das Stammlager Stalag XB Sandbostel zurück.
Zusätzlich wurde bei der 6.Kompanie der 2. Marine Baubereitschaftsabteilung in Wilhelmshaven das Fehlen der Personalkarte angemahnt. Die fehlende Personalkarte wurde dann mit Schreiben vom 07.12.1944 von der 6. Kompanie an das Stalag XB in Sandbostel gesandt.

 

Bild 7: Anschreiben zur Personalkarte des Pawel (Pazl) Umanez, Quelle: Bundesarchiv Berlin.

 

Der Tod des Pawel (Pazl) Umanez wurde knapp und unpersönlich als Vorgang  innerhalb der beteiligten Kriegsmarinedienststellen behandelt und beurkundet.

Die offizielle Beurkundung dieses Sterbefalls durch die Zivilbehörden erfolgte, wie auch die Beurkundung der drei anderen Sterbefälle erst im Jahre 1946.

Die Gräber der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter auf dem Jüdischen Friedhof werden von der Stadt Bleckede gepflegt. Mindestens einmal im Jahr (meistens zum Volkstrauertag) werden hier Blumen oder Grab-Gestecke niedergelegt.

 

[1] Nach Weiland, Beate L.: Jüdische Friedhöfe in Nordostniedersachsen. Eine Bestandsaufnahme, S. 266 u. 284, in: Woehlkens, Erich, Kuhlmann, Lisa, Weiland, Beate L., Busch, Ralf (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der Juden in Uelzen und in Nordostniedersachsen. Oldenburg 1996.

[2] Dr. Rolf Keller, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Gedenkstättenförderung Niedersachsen
Grabstätten sowjetischer Kriegsgefangener: Erfassung der Todesfälle, Richtlinien für die Bestattung, Quellenüberlieferung – Möglichkeiten der Schicksalsklärung und der Rekonstruktion von Friedhöfen, Vortrag in Hannover 19.1.2012.

[3] Ebenda

 

 

Hinweise auf weiterführende Informationen:

 

Dokumentations- und Gedenkstätte
Sandbostel e.V.
www.dokumentationsstaette-sandbostel.de/
 

Dokumentations- und Gedenkstätte
Geschichtslehrpfad Lagerstraße
U-Boot-Bunker Valentin e.V.
www.geschichtslehrpfad.de/
 

 Bundesarchiv, Fachabteilung
(Personenbezogene Auskünfte zum Ersten und Zweiten Weltkrieg – PA)
Berlin-Tegel

www.bundesarchiv.de/

 

 
Dokumentationsstelle Dresden
Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft

www.stsg.de

 
Beschreibung der Grabanlagen auf dem jüdischen
Friedhof in Bleckede, als Teil der Dokumentation der
Geschichte jüdischen Lebens in Bleckede.
 
 
 
 
 
Print Friendly, PDF & Email